TCV

Zu den berührendsten Erlebnissen unserer ganzen Reise gehört der Besuch des Tibetan Children's Village in Upper Dharamsala, 4 km von McLeod Ganj entfernt, wo die ganze Tragweite des Schicksals der Tibeter und ihre unglaublichen Kraft, dieses zu meistern, in aller Klarheit sichtbar wird. Bereits Anfang der 60-er Jahre wurde es als "Heim für tibetische Flüchtlingskinder" durch die Initiative des Dalai Lama gegründet, um den tausenden verwaisten Flüchtlingskindern, die durch Krieg, Flucht und den Verlust von Familie und Heimat schwer traumatisiert waren, ein Zuhause und eine Zukunft zu bieten. Unter der Führung der Schwester des Dalai Lama entwickelte es sich zu zum Tibetan Children's Village, einer Gemeinschaft mit mehreren Kinderdörfern, Schulen, Berufsausbildungszentren und einem eigenen Lehrerausbildungszentrum. Mitte der 70-er Jahre wurden weitere Kinderdörfer, fünf Internatsschulen, acht Tagesschulen, zehn Tagesbetreuungszentren, eine Berufsschule und zwei Studentenheime in ganz Indien eröffnet und bald wird es eine eigene tibetische Universität in Bangalore geben. Zur Zeit werden insgesamt mehr als 15.000 Kinder, deren Eltern entweder in Tibet geblieben sind oder als Flüchtlinge zu arm sind, um sie großzuziehen, betreut. Das TCV ist nicht nur nach dem System der österreichischen SOS-Kinderdörfer organisiert, sondern wird auch von der Hermann Gmeiner Gesellschaft mitfinanziert. Hermann Gmeiner, der visionäre Gründer der SOS-Kinderdörfer, der sein Leben dem Wohl der Waisenkinder aller Welt gewidmet hat, wird hier hochverehrt.

Der Rest der Finanzierung wird über internationale Patenschaften und Spenden und natürlich das Budget des Dalai Lama abgewickelt, der eine besondere Rolle für seine Schützlinge spielt. Auch wir entschließen uns endlich zu einer Patenschaft, was ich ja schon seit vielen Jahren vorhabe, und erleben die berührende Begegnung mit dem sechsjährigen Tenzin Rikshel und dem zehnjährigen Thakthung Dorjee, den unsere lieben Freunde Mimi und Bernhard sponsern werden.

Das TCV in Upper Dharamsala ist ein richtiges Dorf mit tibetischen Wohnäuschen, einem Tempel, einem Sportplatz, diversen Schulen und sozialen Einrichtungen. Alles ist sehr sauber und sorgfältig betreut. Wir werden von den außergewöhnlich liebevollen Mitarbeiterinnen empfangen und durch das Dorf geführt, lernen einige der hier lebenden Kinder kennen, die trotz ihres traurigen Schicksals, das sie sichtlich geprägt hat, auch fröhlich und ausgelassen sind. Wer den Film "Flucht über den Himalaya" von Maria Blumencron gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Die meisten Kinder wurden von ihren Eltern mit Fluchthelfern über die über 5000 m hohen Pässe nach Indien geschickt, da es die einzige Möglichkeit ist, ihnen, abseits des chinesischen Terrors in ihrer Heimat, eine Zukunft in Freiheit und Eigenverantwortung zu ermöglichen. Meist dürfen sie keinerlei Kontakt zu ihren Eltern halten, da dies im besetzten Tibet viel zu gefährlich wäre. Über 3000 Flüchtlinge kamen jährlich über die 5000-er Berge, mit vielen seelischen und durch die wochenlangen Märsche durch Schnee und Eis auch körperlichen Verletzungen. Leider werden die chinesischen Kontrollen immer rigider und so gelingen immer weniger Fluchtversuche. Seit 2008 ist kein tibetischer Flüchtling mehr nach Indien gekommen ... Die österreichische Filmemacherin Maria Blumencron hat fünf Kinder auf ihrer Flucht aus Tibet begleitet und viele Jahre später mit "Jenseits des Himalaya" einen Folgefilm über sie gemacht, der die tiefe Traurigkeit zeigt, die die von ihren Eltern getrennt aufwachsenden Kinder ihr Leben lang begleitet.

Besonders berührend ist unser Besuch in der Babystation, wo die ganz Kleinen gerade ihren Mittagsschlaf halten. Das jüngste Zwergerl ist gerade mal 11 Monate alt. Ein kleiner Bub wurde in Lhasa auf der Straße gefunden und von einem Fluchthelfer hierher gebracht. Die Größeren sind in den Familienhäusern, den sogenannten Khimtsang, bei ihren Pflegeeltern untergebracht. In einem Haus leben meist über dreißig Kinder, die sich häufig ihre Betten zu zweit oder zu dritt teilen, und auch Hausarbeiten übernehmen müssen. Jedes Kind ist für seine sieben Sachen verantwortlich, wobei die Größeren den Kleineren behilflich sind. Die Häuser mögen einfach sein, doch ist eine große Liebe und soziale Kompetenz zu spüren.

Die Schulbildung der Kinder ist besonders gut und die meisten Kinder gehen nach 12 Jahren aufs College, diejenigen, die mehr handwerkliche Fähigkeiten haben, erhalten eine Lehrlingsausbildung. Die Unterrichtssprache ist Tibetisch und ab der 6. Schulstufe auch Englisch und Hindi. So können wir uns mit den größeren Kindern gut auf Englisch verständigen. Dazu kommt die kulturelle und künstlerische Ausbildung in tibetischem Tanz und traditioneller Musik. Bei unserem Rundgang hören wir die eifrigen Proben für den baldigen Wettbewerb zwischen den Häusern. Nicht zu vergessen die spirituelle Einbettung, die durch regelmäßige Teachings des Dalai Lama unterstützt wird. Wir haben auch das Glück, bei zwei Teachings seiner Heiligkeit im TCV teilzunehmen, zumindest in der Videoübertragung auf dem Sportplatz, da die Aula schon mit den großen Schülern gefüllt ist.

Die Patenschaften aus Österreich werden in erster Linie vom Verein "Save Tibet" in Wien durchgeführt, bei dem ich schon viele Jahre Mitglied bin. Elisabeth Zimmermann, die unermüdliche Leiterin des gemeinnützigen Vereins, ist hier hochangesehen, nicht nur weil sie bereits über 800 Patenschaften initiiert hat, sondern weil ihr ganzes Herz und ihre ganze Liebe der Unterstützung des tibetischen Volkes gehört. Sie und ihre Mitarbeiter organisieren neben den Patenschaften auch Spendenaktionen, betreiben politische Aufklärungsarbeit und bringen tibetisches Kunsthandwerk zum Verkauf nach Österreich. Die Erlöse kommen wiederum dem TCV und tibetischen Behindertenheimen zugute. Nichtzuvergessen die jährlichen Reisen zu den Kinderdörfern, die sie auch für Pateneltern organisieren. Im TCV erfahren wir, dass "Save Tibet" als Einziger der internationalen Patenschaftsvereine Hundertprozent des von den Sponsoren eingezahlten Geldes an das TCV weiterleitet, ohne etwas für die Organisation einzubehalten, was bedeutet, dass alle Mitarbeiter ehrenamtlich tätig sind. Der Verein ist auch im Internet vertreten: www.tibet.at

Besonders berührend is es natürlich, wenn man seine Patenkinder persönlich kennenlernt, auch wenn die Kleineren oft nicht ganz wissen, wie ihnen geschieht, wie etwa "unser" Rikshel. Durch ein Missverständnis lernen wir zunächst den kleinen Soba als Patenkind kennen, der sich riesig freut, im Mittelpunkt zu stehen und fotografiert und geherzt zu werden. Als der Irrtum entdeckt wird - er hat ja schon Pateneltern - und der richtige Rikshel geholt wird, ist der Arme recht enttäuscht, doch ist er bald getröstet, als er mit uns den Rundgang mitmachen und uns sein auch Haus zeigen darf. Rikshel selbst ist erst seit wenigen Monaten im Kinderdorf und noch ein wenig unsicher, während Thakthung schon ein richtig großer TCV-Bub ist. Alle drei sind natürlich richtige Spitzbuben. Besonders bei den weiteren Besuchen merken wir, wie wichtig es diesen Kindern ist, dass sich Menschen ihrer annehmen und ihnen, abseits des Leids, ein in einer wunderschönen sozialen Kindergemeinschaft eingebettetes Leben und eine zukunftsreiche Ausbildung ermöglichen, und wir sehen bei ihnen große Freude und Anhänglichkeit. Besuch der "Sponsoren" ist etwas ganz Besonderes.

Die Unterstützung eines Kindes im TCV kostet 35 Euro im Monat, für Viele weniger als ein abendliches Ausgehen in Wien, und jede Spende und Patenschaften ermöglichen weiteren Kindern und damit Tibet eine würdevolle Zukunft.

Die wundervolle Begegnung mit diesen Menschen - Kinder wie Erwachsene - haben unser Herz tief berührt und uns eine neue Sicht auf das Leben geschenkt. In dieser für uns entscheidenden Erfahrung wird uns klar, dass das TCV die Seele des freien Tibet ist und einer gelebten wertvollen menschlichen, kulturellen und spirituellen Identität. Kein noch so grausamer Terror der Chinesischen Volksrepublik kann diese zerstören.

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Thakthung mit der Sponsorshipbetreuerin

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Thaktung und der uns zuerst fälschlicherweise als Rikshel vorgestellte 6-jährige Soba

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Rikshel

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'Peace', noch nicht ganz 'in Griff'

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Rundgang - ein Wutzerl zieht es vor, am Fußboden zu mützen

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