Pondicherry und Tiruvannamalai
Bei unserer Weiterfahrt durch das heiße Tamil Nadu verzichten wir auf die umständliche Zugfahrerei und mieten uns einen Driver, der uns nach Pondycherry bringt, das vor drei Jahren in Puducherry unbenannt wurde, doch niemand scheint diesen neuen Namen zu benützen. Der Ministaat Pondycherry war dazumal französisch kolonialisiert, woran nicht nur die Straßennamen erinnern, das Städtchen hat mit seinen hübschen Häusern und gepflegten Gärten tatsächlich einen mediterranen Flair und ist ungewöhnlich sauber. Es lebte hier Sri Aurobindo mit „The Mother“, einer türkisch-ägyptisch stämmigen Französin, die seit 1924 an Aurobindos Seite wirkte. Während Aurobindo in Abgeschiedenheit sein spirituelles Werk der Verankerung des „Supramentalen“ vorantrieb, war The Mother die spirituelle Meisterin des Ashrams, den man heute noch besuchen kann, und wo eine wundervolle Atmosphäre des Friedens und der Verehrung der göttlichen Mutter zu spüren ist. Nach dem Tod Aurobindos im Jahr 1950 setzte The Mother die Vision einer „neuen Menschheit“ in unermüdlicher Arbeit für aus aller Welt kommende Schüler, Kinder der Umgebung, ja die ganze Menschheit, wie sie sagte, weiter fort. 1968 wurde in unmittelbarer Nähe nach ihren Visionen die Zukunfstadt Auroville gegründet, in der man unabhängig von Einkommen, Herkunft und Religion ein neues Gesellschaftsmodell erprobt. Auroville ist ein bedeutendes Sozial- , Ökologie- und Architekturprojekt, das in ständigiger Entwicklung begriffen ist. Man hat eine gute Infrastruktur und viele Betriebe geschaffen, setzt sich für alternative Schulsysteme, künstlerische Ausbildung und kulturell-spirituelle Erziehungsmethoden ein. Mittlerweile leben hier 20.000 Menschen aus aller Welt, während die 30.000 Einwohner der umliegenden Dörfer mit Auroville wirtschaftlich verbunden sind, dort Arbeit finden und von Entwicklungsprojekten der Aurovillianer profitieren. Auroville ist nicht nur eine Stadt, sondern eine Lebensphilosophie, der Versuch, in relativer Abgeschiedenheit eine „wertvollere“ Gesellschaft zu bilden. Wie weit das gelingt, vermögen wir nicht zu beurteilen, doch erscheint uns bei den wenigen Einblicken, die wir erhalten, nicht alles so rosig, wie man es sich vorgestellt hat. Es wirkt auf uns eng und separierend. Möchte man mehr über Auroville erfahren, müsste man sich für einen längeren Aufenthalt mit freiwilliger Arbeit anmelden, ansonsten ist es kaum möglich auch nur in die Living oder Industrial Zones der galaxieförmig angelegten Stadt vorzudringen. Besucher werden am Besucherzentrum abgefangen und dürfen einen Blick auf den Matrimandir werfen, den als spirituelles Zentrum fungierenden Tempel, der nun nach über 30-jähriger Bauzeit fertiggestellt worden ist, und dessen Kugelform in goldener Farbe aus einem Science Fiction Film der 60-er Jahre entstammen könnte. Nach Voranmeldung und langen Einführungen dürfen wir unter strenger Aufsicht bei einer „Konzentration“ im Matrimandir teilnehmen, in dessen innerster Kammer eine große durch eine kleine Öffnung von der Sonne beleuchtete Glaskugel steht. Wir sind jedoch erschreckt von der kühlen Atmosphäre dieses in erster Linie aus Beton, Marmor und Glas konstruierten Meditationsraumes, in dem man mit der Zurückweisung von jeglicher Religion und alter Spiritualität, von Natur, Musik oder Sprache scheinbar auch das Herz ausklammert. Gerade die Liebe einer göttlichen Mutter, der dieser Tempel gewidmet ist, ist im spirituellen „Herzen“ Aurovilles am wenigsten spürbar, verstärkt durch die einseitige Fokusierung auf das visionäre und mentale Element. Ich würde diese Erfahrungebene als die des „kalten Lichtes“ bezeichnen.
Der Berg Arunachala in Tiruvannamalai ist einer der heiligsten Berge Südindiens, um den sich zahlreiche Tempel und Yogazentren gebildet haben. Der wichtigste ist der Ashram des 1950 verstorbenen Meisters Sri Ramana Maharshi, wohl einer der lichtvollsten Yogis, die jemals gelebt haben. Auch er ist Christian schon ein jahrzehntelanger geistiger Begleiter. Nachdem Ramana bereits mit 16 Jahren Erleuchtung gefunden hatte, lebte er 24 Jahren in zwei Höhlen auf dem Arunachala, danach am Fuße des Berges im Ashram, wo ihn viele Pilger und Schüler besuchten. Er war von großer Bescheidenheit, sprach wenig und wirkte in erster Linie durch sein Wesen voller Liebe und Güte. Durch seine Augen strahlte die reine Göttlichkeit, die uns tief berührt. Seine Lehren zeugen jedoch von großem Intellekt und mentaler Gewandtheit. Der Ramanashramam ist heute ein vielbesuchter Pilgerort für spirituell Suchende aus aller Welt, allerdings nicht zu dieser Jahreszeit. 40 Grad haben auch auch ihre Vorteile, und so können wir diesen Ort in relativer Ruhe genießen. Es gibt mehrere Tempel und einen Pilgerweg zu Ramanas Höhlen auf dem Arunachala. Trotz der großen Hitze wagen wir zeitig in der Früh den 45-minütigen Aufstieg zu den Höhlen und nehmen an der Morgenpuja teil, bei der uns der unbeschreiblich schöne und in dieser Form nie gehörte Gesang des Sannyasins eine tiefe Verbindung ermöglicht.
Sri Aurobindo, 1872 - 1950
Matrimandir in Auroville
Dreiecks-, Hexagramm- und Kreisgeometrie
Ramana Maharishi, 1879 - 1950
Eingang zu Ramanas Ashram
Ramanas Sterbezimmer
Brahmanische Einweihung im Shiva-Tempel von Tiruvannamalai
Arunachala vom Hotel aus
Aufstieg
Der Swami, der später die Puja hält, überholt uns leichten Fußes
Blick auf den riesigen Shivatempel von Tiruvannamalai
Ramanas 2. Wirkungsstätte am Arunachala
Steinschnitzer
Eingang zu Ramanas 1. Meditationshöhle
Alte Gräber am Straßenrand
Im Ashram von Ramana
Jackfruits, noch nie gekostet, da ihr Inneres strange riecht